Ein Gang durch die Welt der Knospe

Eine Frühlingswanderung am 25. April 2019 sollte eine Wanderung in das Reich der Knopse werden, obwohl man bereits merkte, dass heute durch anhaltende Wärme und Trockenheit nur einiger Tage das Knospen-Tum der Natur bereits sehr weit fortgeschritten war. Doch frisches Grün erblickte man allerorten, dazu auch viele gelbe Flächen. Das frische und zarte Grün bildete einen schwungvollen und sehr lebendigen Kontrast zum strahlend blauen und wolkenlosen Himmel. Welch ein Tag!

Was hat es nun mit der Knospe auf sich? Was kennzeichnet die Faszination und den besonderen Zauber eine Knospe aus?

Die Knospe, zu mindestens die eines Baumes, hat immer eine relativ ähnliche typische Form, meistens eines Ovals oder in Form einer oval zulaufenden Spitze.  Die geschlossene Knospe für uns ein Kennzeichnen des Potentials, also einer Energieform die gespeichert und in Lauerstellung ist. Sie wartet auf den richtigen Moment. Die Knospe ist kein Dauerzustand, obwohl sie bereits in den Wintermonaten angelegt doch einige Monate so existiert. Die Knospe ist wie ein wartendes Vorratslager.

Im Frühling kommt dann dieser ganz entscheidende Moment, das ist dieser Moment den ich eben auch gerade in den letzten Tagen erlebt und auch auf dieser Wanderung etwas dokumentiert habe, indem sie aufbricht und eine Metamorphose durchmacht. Die Knospe (eines Baumes) trägt einen ganzen Blattzweig in sich. Das ist so ähnlich, wie wenn sich eine Schmetterlingsraupe verpuppt zu einer Larve erstarrt und sich dann ein wunderschöner Schmetterling aus aus der Larve entfaltet. Faszinierend bei der Knospe ist dabei die explosionsartige Geschwindigkeit in der das passiert, die frische Farbe und das enorme, ebenfalls rasend schnelle Größenwachstum des frischgrünen Blattzweiges. Denn eigentlich kann man sich nicht vorstellen, dass in so einer winzigen Knospe oftmals nur einige Millimeter groß, sich so viel Material entfaltet und herauskommt. Wie macht das die Natur nur? Ein kleines Wunder.

Man könnte es fast damit vergleichen, wenn sich ein riesiger Fallschirm aus einem kleinen Rucksack entfaltet und das auch noch sehr schnell. Ein gutes Beispiel dafür ist auch die Rosskastanie, zugegebenermaßen sind die Knospen hier doch schon recht groß, geschätzt 2-3 cm und harzig glänzend. Aber man muss sich vor Augen führen, dass die riesigen Blätter, die in ihrem Endstadium dann 30 oder 40 cm Durchmesser haben, aus dieser immer noch relativ kleinen Knospe herauskommen. Und wie das passiert, das kann man nur in diesen Tagen beobachten – es geht sehr schnell, wörtlich auch von Stunde zu Stunde. Fast könnte man dabei zusehen wie das Gras, nein, das Blatt aus der Knospe wächst.

Auch den Formenreichtum den die Natur hervorgebracht hat, kann man an dieser Stelle bewundern, denn obwohl die Knospen recht ähnlich sind, kann man das unterschiedliche Aussehen einerseits der Blütenstände, und andererseits der Blattformen der Bäume betrachten und untersuchen, oder sich einfach nur daran erfreuen. Rund, spitz, gewellt oder gefingert.

Georg Friedrich Hegel verarbeitete übrigens auch die Knospe in seinem Werk. Er machte aus der Knospe, der Blüte und der Frucht einen Dreischritt. Die Knospe verwandelt sich in eine Blüte, damit widerlegt die Blüte die Knospe und wird später zur Frucht, so ist seine Lehre. Die Frucht ist das Wahre, welches sich aus der Synthese von der Knospe und ihres Gegenteils ihrer Widerlegung der Blüte ergibt. Nun dieses Beispiel ist hier für mich etwas bemüht, da es eher wie eine logische Abfolge ergibt. Man kann sich darüber streiten, ob die Blüte die Gegenthese zur Knospe ist, oder vielmehr eine organische Weiterentwicklung. Noch dazu ist diese Aufzählung unvollständig, denn als wichtige Markstein in der Lebensphase der Pflanze fehlt mindestens noch der Samen, und dann hätten wir einen Vierschritt. Seltsam nicht? Wie konnte das Hegel vergessen? Haben sich die Hegelianer vielleicht auch schon mal mit diesem Problem befasst? Dennoch ist die These und die Antithese Hegels für mich zu einem der bedeutendsten philosophischen Konzepte des Lebens geworden. Aber das führt jetzt zu weit.

Heute beschäftigen wir uns nur mit der Knospe und betrachten ihren Zauber weiterhin. Durch das schnelle Wachstum und ihre kurze Aufbruchphase ist sie auch ein Kennzeichen der Verwandlung, des Neubeginns und des Wachstums, ein extrem wichtiger Indikator und Selbstdefinition des Frühlings schlechthin.  

Durch das schnelle Wachstum und das huschende Vorbeiziehen dieser Phase macht sie uns auch auf die rauschende Vergänglichkeit der Zeit aufmerksam. Nichts bleibt wie es war – es lohnt sich also bei der Knospe besonders genau hinzuschauen und kurze Momente nicht nur mit dem Fotoapparat, sondern auch mit seinem eigenen Augenlicht einzufangen und sich an der grandiosen Bedeutungsfülle, Schönheit und Einzigartigkeit des Moments zu erfreuen.

Hurra!

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