Eine Ode an die Freiheit
Die Freiheit ist auch so eine Chimäre. Was hat es mit ihr auf sich? Freiheit ist ein riesiges Wort. Ein Wort mit äußerstem Schwergewicht. Westernhagen besingt sie in einem Lied. Man hat ihr sogar große Statuen gebaut. Freiheit eignet sich immer als äußerst positiv besetzter Werbeslogan. Warum hat die Freiheit für den Menschen so eine große Bedeutung und gibt es überhaupt echte Freiheit? Oder ist das nur ein Trugschluss?
Ich bin darauf gekommen, darüber nachzudenken, weil ich nach dem freien Willen gefragt wurde. Ohne Zweifel hat die Freiheit mit dem freien Willen zu tun. Wie kann ich nun der Bedeutung der Freiheit auf die Spur kommen?
Alles beginnt damit, eine Wortbedeutung gänzlich in Frage zu stellen. Wörter sind oftmals untaugliche Container von Dingen, die es gar nicht so gibt. Aber indem es diese Wörter gibt, suggeriert es uns, das es auch die Bedeutung, also das Ding an sich, hinter dem Wort gibt. Jeder Gedanke muss zunächst einmal kurz geglaubt werden vom Gehirn, um auch verstanden zu werden. Gibt es Freiheit wirklich? Daran gibt es echte Zweifel. Der Freiheitsbegriff ist einerseits etwas sehr Abstraktes. Denn so richtig greifen kann man sie nicht. Sie äußert sich im Nichtvorhandensein von Einschränkungen, Grenzen oder Fremdbestimmung. Die Unfreiheit kann man wesentlich besser fassen, sogar umfassen und daran rütteln, nämlich in Form der Stahlstäbe und Gitter der Gefängnistüren und -Fenster. Die schwedischen Gardinen. „Hinter Gittern.“
Etwas nicht Vorhandenes jedoch lässt sich für das Gehirn nicht sonderlich gut abbilden, noch bewusst machen. Und deshalb ist die Freiheit auch so schwer zu „greifen“. Freiheit ist auch ein Lebensgefühl. Als Selbständiger kenne ich das, morgens aufzuwachen und selbst zu bestimmen was man tut, frei in der Entscheidung sein, – und nun kommt gleich wieder – nichts ist ohne sein Gegenteil wahr – bereits hier wird deutlich, dass die Freiheit auf der anderen Seite der Waagschale auch Verantwortung bedeutet. Die Freiheit der Selbstständigkeit kann langfristig in ihrem selbsterhaltenden Gegenpart nur durch eine selbstauferlegte Unfreiheit, der Bewusstheit der Selbstdisziplin, diese aber zu mindestens vermeintlich selbstgewählten Form, aufrechterhalten werden. Und da haben wir es schon wieder. Der Ruf nach grenzenloser Freiheit ist ergo absurd, ein Irrglaube und Irrlicht, der ihre Gegenteiligkeit ausblendet.
Denn die Freiheit des Einen ist gleichzeitig auch die Unfreiheit des Anderen, oder sogar mir selbst. Ich habe die Freiheit, das Radio laut aufzudrehen, gleichzeitig schränke ich aber damit die freie Entfaltung eines Anderen wieder ein.
In einem afrikanischen Land wäre ich unter Umständen viel freier als in Deutschland. Es gibt keinen TÜV, keine Fahrschule und kaum Verkehrsregeln, und auch sonst, soviel Polizei sieht man dort nicht. Warum möchte dann kaum jemand dorthin, zu mindestens aus Deutschland, sondern eher Afrikaner hierher, obwohl Deutschland eigentlich viel mehr Regeln, Gesetze und somit Unfreiheit bietet? Warum ist so betrachtet die Unfreiheit, viel attraktiver? Könnte es so gesehen einem wesentlichen Erfolgsfaktor der westlichen Zivilisation auf die Spur kommen?
Es gibt Menschen, die kommen mit der Freiheit nicht zurecht. Zum Beispiel mit der Freiheit seinen Lebensrhythmus und Lebensalltag selbst zu bestimmen und zu regulieren. Das betrifft Einige, die ohne Beschäftigung sind oder auch Rentner. Damit meine ich nicht alle. Sie versacken und wissen nichts mit sich anzufangen. Auf der anderen Seite gibt es nicht wenige, die gerne länger, über das Rentenalter, hinaus arbeiten würden oder möchten. Und das nicht unbedingt wegen dem Geld. Obwohl sie eigentlich auf Arbeit unfreier sich viel unfreier fühlen müssten. Also scheinen so lenkenden Bahnen, Einschränkungen, ihren Sinn zu machen und dem Menschen halt zu geben ja sogar selbst auferlegt und gewollt, angestrebt zu werden. Kann es denn dann noch eine Ode an die Freiheit geben? Eine samtene Unfreiheit scheint doch für vielen Menschen sehr attraktiv zu sein, oder?
Auch bei der Produktauswahl ist es so. Verkaufspsychologen wissen, dass man es mit der Wahlfreiheit nicht übertreiben sollte. Stellt man dem Kunde 50 Sorten vor, kauft er am Ende gar nichts. Bei drei, vier oder fünf Sorten ist es dagegen optimal. Also, je länger man sich damit befasst, die besungene Freiheit scheint im Gegentum doch zu mindestens 50% für viele Menschen eine Last denn eine Lust zu sein.
Deshalb erhebe ich jetzt mein Bier auf die guten alten Zeiten mit nur drei Fernsehprogrammen: DDR1, DDR2 und ARD. Prost!
Zusammenfassung:
- Freiheit erscheint als ein immerwährend anzustrebendes höchstes Gut, welches ohne die Theorie des freien Willens undenkbar wäre
- Freiheit entsteht zunächst kraft der Macht des Wortes und seiner für den menschlichen Gedanken erschaffenen Bedeutung dahinter, ohne restlos zu ergründen zu müssen ob es Freiheit wirklich gibt oder nicht
- Die Freiheit des einen ist in seiner Wechselwirkung häufig die Unfreiheit des anderen
- Es gibt viele Freiheiten die nicht als positiv wahrgenommen oder empfunden werden z.B. die Freiheit von Regeln, von Beschäftigung, von Ordnung, Freiheit jeglicher äußeren Bestimmung
- Auch bei der Auswahl ist zu viel Freiheit nicht förderlich
- Die Freiheit ist ein graziles und höchst intelligent gestricktes Paradoxon, sie erreicht ihre höchste Form durch gleichzeitig freiwillig gewählte Selbstdisziplin und somit selbstauferlegte Einschränkung: Morgens theoretisch liegenbleiben zu können, aber es doch nicht zu tun.
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