Kuscheln und Raufen

Prolog: Auch der Wind rauft heute Morgen an meinem Balkon. Mit heftigen und kräftigen Stößen reißt er dumpf-wummernd und ächzend meine Scheibenplatten hin und her. Der Frühlingstag heute ist also ein energischer Raufbold, der in einer hellstrahlend-wolkenlos, aber ergo trügerischen Erscheinung daherkommt….

Überleitung: Ist Kuschelraufen auch so eine Chimäre? Eine ungültig geglaubte Verbindung aus kuscheliger Weichheit und wütender, “eigentlich”-abzulehnender Aggression? Kräftemessen und Angriff, primitiv-körperlichsten Raufboldentums, das man nach all dem überschwappenden, aufgesaugten Gutheitsbekundungen und gesellschaftlichen Gut-und Nett-Seins-Aufdrängungen und -adaptionen erst wieder neu lernen darf!

Ich besuchte also eine der seltenen Rauf-Veranstaltungen von Elisa in Leipzig. Bereits das zweite Mal. Spannend ist immer die Frage: Wer und wie viele Besucher (und vor allem Besucherinnen) werden es diesmal sein? Gibt es ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen? Schon an der Tür erblicke ich ein fremdes und hübsches Gesicht einer stilvoll-leger gekleideten Dame und atme auf. Auch der Berg aus eher feminin anmutenden Schuhen vor der Tür zeugt davon, dass an weiblichem Raufer-Nachwuchs heute wohl glücklicherweise nicht mangeln wird. Meine schlimmsten Befürchtungen und alptraumhaften Visionen einer grässlichen, reinen Männer-Veranstaltung sind zum Glück nicht wahr geworden. Ich gebe es zu: Ich bin hierhergekommen um mit meinem Gegenteil, einer Frau, zu raufen, zu kämpfen und herumzutollen. Mein Körper sehnt sich nach weiblicher Energie und tiefen femininen Sinneseindrücken nach einem langen, sonnigen aber in jener Hinsicht entbehrungsreichen Oster-Wochenende.

Welche Eindrücke und Erlebnisse habe ich mitgenommen? Voll und stimmungsvoll, gut gelaunt ist der Saal (gemeint eher: die putzigen Menschlein darin :-)). Ich fühle mich sogleich angekommen und angenommen inmitten der Gleichgesinnten und Erwartungsfrohen. Fast so viel wie bei der Leipziger Kuschelparty sind wir, nach dem Durchzählen bin ich bei etwas über zwanzig. Und in der Tat, ein paar interessante Pflänzchen, nein Rauferinnen, dabei. Wow. Es heißt: Einfach Dasein und Wohlfühlen. Ich merke, dass die Stimmung gut ist an diesem entspannten, sonnigen Ostermontag. Leipzig bietet offenbar als hippe Stadt Raum für experimentierfreudige und offene Großstadtfrauen, die auf der Suche nach Balance und innerem Gleichgewicht, und gleichzeitig nach neuen Entdeckungen und Erfahrungswelten sind. Together sein in Harmony ist in. Noch dazu bei weichen Klängen, Meditationsmusik, Entspannung und wohlklingenden, angenehmen Worten. Doch lasst euch nicht täuschen: Ich bin hier um anzugreifen und euer Weltbild der friedlichen Harmonie und Bravheit des Mannes hinwegzuschubsen, zu krallen und beiseitezuschnurren. Aber zunächst einmal gilt es sich vorzustellen, dann werden die Regeln erklärt mit sanfter Stimme Elisas. Nein, der Erste bin ich nicht in der Kampf-Arena, auch nicht der Zweite. Es dauert, Vertrauen zu finden, auch zu sich selbst, und Mut in den Ring zu steigen. Anita, die ich bereits kenne, darf meine erste Kontrahentin sein. Sie ist eine “normal” gebaute Frau und hat durchaus starke Arme, ist also nicht gerade zierlich. Wir kennen uns. Ohne zögern „steigt“ sie in den Ring.

Der Kampf beginnt. Der Mann ist in diesem Spiel eine gefährliche Raubkatze. Oder besser gesagt einen Raubkatzenkater. Wie rauft er? Wahrscheinlich habe ich schon die ganze Zeit unbewusst eine Choreographie im Kopf. Der Katzerich hat keine Angst, sondern greift sofort und blitzschnell an. Sein Raufstil ähnelt einem schnellen und wirbelnden Tanz aus erobernder Aggression und begehrender Lust. Lust am Kräftemessen? Lust am Körper? Lust am sich Spüren? Lust am Auspowern? Was auch immer. Spüren will er, Kraft und Gegenkraft und tiefste Lebendigkeit. Gefährlich nah kommt sein fauchender Kopf ihrem Leib. Explosive Energie bricht sich bahn und überfällt die junge Löwin. Der Kater ist hier um zu zeigen wer der Herrscher ist. Er fordert heraus, überwältigt, demonstriert seine Macht mit kraftvollem Knurren und Brüllen und angedeuteten Bissen an gefährliche Stellen. In diesem Moment des Be-herrschens, des Dominierens ist er ihr ganz nah. Der wütende Hauch des Todes aus seinem Nüstern gleitet sanft und lustvoll über ihre kühlen Schläfen und ihr abgewandtes Gesicht. Siegessicheres Seufzen der lustvollen Ergebenheit, Auge in Auge. Wo bist du? Komm nur, ich erwarte dich. Ich habe keine Angst. Ist sie in der Lage seine männliche Angriffslust aufzufangen, und weiche Polster, schwingend-reizende Bewegungen des weiblichen Bogens zurückzuwerfen und ihn zu verwirren?

Ist die Kontrahentin besiegt, passt er Löwe seine Kraft an und wird zu einem verspielten und bereitwilligen Schmusetiger, der sanft nachlässt und mit fragendem Blick schnurrt: „Willst du noch mehr?“ Offenbar ja. Beine und Arme fliegen durch die Luft. Körpergewichte werden eingesetzt. Das der junge Löwe unterliegt, kann seine Ehre nicht zulassen. Da ist ein Widerstand ihrer Körperlast.  Mit einem berstenden Schrei muss er alle noch verfügbaren Körperkräfte losreißen, seine Herrscherin mit einem Ruck der männlichen Kraft über sich auf die Seite zu wuchten. Nach mehreren Rollen und Prankenschlägen sind die Löwenkinder erschöpft. Intensiv pulsierenden atmend liegen sie am Boden und ringen nach Luft und Kraft. Wieder schwebt das heiße Maul des Löwen ganz nah an ihrem Gesicht, die Hände kraulen sanft und spielerisch.  Ich kichere herausfordernd: Kannst du noch oder war das schon alles? In einem umarmenden Kampf geht es zur letzten Runde. Packen und Rollen. Fauchen und Schnurren. Eine dankende Umarmung löst das kräftezehrende Spiel. Das war meine erste Runde.

Später folgt noch eine Zweite, die sich eher zufällig ergab. Meine dritte und letzte Runde die mit meiner Traum-Partnerin an jedem Abend erdacht wurde, fand leider nicht statt. Zu Lange habe ich gewartet und gezögert, den Ring zu betreten und herauszufordern. Merke: der frühe Vogel fängt den Wurm. Wichtige Dinge bis zu Letzt aufschieben kann in seinem Nicht-Stattfinden enden. Zaudern ist die Mutter des Misserfolgs. Schade!

Doch noch ist die Show ja lange nicht zu ende.

Später folgte nach einer lange Gesprächspause, die von Männerthemen mit Martin bestimmt war, noch der sehnlichst allseits erwartete Kuschelteil. Ich erinnere mich an eine der Vorübungen, als ich mit einer Augenbinde blind und passiv-wartend dastehend, sehr wohlig an meinen Armen gestreichelt wurde. Meine Streichelpartnerin schwärmte von meinen schönen Armen, meiner Haut, meinen Adern. Ihre Berührungen – ein Traum an höchstem Genuss! Sie lösten helles Prickeln feinstens Glücks in mir aus. In einer nochmaligen, ganz kurzen Pause ließ ich mich in ein stimmigen Smalltalk mit Paula gleiten. Als Reisender und einfühlsamer “Menschen- und Frauenfreund” schien es ein Kinderspiel für mich, ihr Vertrauen zu wecken und in ein wirklich bejahendes und Vertrauen bildendes Gespräch zu kommen. Sie erwies sich als ungewöhnlich reisefreudige und recht bewusste Frau, die wie sie sagt…..

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