Verleugnen von eigenen Persönlichkeitsmerkmalen

Angenommen du entdecktest eine Seite in dir, die ist wild, unanständig, aggressiv und bedrohlich. Sie kommt immer mal wieder zum Vorschein. Was würdest du damit machen? Totschweigen? Wegoperieren? Verdrängen? Oder würdest du sie rauslassen? Du würdest versuchen sie zu kanalisieren, kontrollieren und an den richtigen Stellen zu Geltung bringen? Es ist wie ein ruhendes „böses“ Potential, das in dir schlummert. Und sollte es von Nöten sein, könnte diese finstere Seite genau im richtigen Moment kurz und energetisch ihr schreckliches Angesicht zeigen. Funktional!

Die Gemeinschaft als Persönlichkeit, die eigene Teile verleugnet

Was sagt es über eine Gesellschaft aus, die angeblich die Werte der Demokratie und Pluralität (ein Wort das längst in der Versenkung verschwunden erscheint, zur Wendezeit aber Hochkonjunktur hatte), die also Demokratie und Pluralität als höchste Werte hochhält und sich diesen Werten gemeinschaftlich verpflichtet fühlen will, und immer wieder anpreist und vor sich herträgt, auch im Sinne der Tugendhaftigkeit, jedoch gleichzeitig einen wesentlichen Teil der Parteienlandschaft (der in einigen Bundesländern bei 20% oder mehr liegt) tabuisiert und ausschließt, in der öffentlichen Kommunikation unmöglich macht, mithin bestrebt diesen von sich zu weisen?

Doch wie kann es eine „echte“ Demokratie, in dem man sich auf die „Herrschaft des Volkes bezieht“, geben, wenn man einen Teil der Meinungslandschaft ausschließt? Wer bestimmt welche Meinung zulässig und moralisch überhaupt vertretbar ist? Die Mehrheit? Oder vielleicht der „gesunde Menschenverstand“, falls es so etwas gibt? Wenn die Mehrheit jedoch nur eine Meinung, „die Richtige“, zulässt, und die andere als moralisch verwerflich verteufelt und ausgrenzt, ist diese dann nicht schon zum herrschenden Diktat geworden? Wo bleibt die viel gerühmte Pluralität? Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden, mahnte einst Rosa Luxemburg.

Richtig, die Gesellschaft spaltet einen wesentlichen Teil von sich selbst als ungehörig ab. Mit den einfachen Worten: Das möchten wir nicht haben. Das ist nicht ok. Das verabscheuen wir. Beispiel, der Aufkleber mit den sechs Buchstaben: „FCK …“ brauche ich da nur sagen. Oder eine Großveranstaltung „Ganz Berlin hasst die ….“ In dem man das tut, verunmöglicht, tabuisiert und stigmatisiert man natürlich auch genauso ihre Wählerschaft und ihre Anhänger, man grenzt diese aus. Für mich wahrgenommen herrscht ein Geist im allgemeinen Öffentlichkeitsraum, der diese Richtungen in dir und in uns allen gefühlt schon vorbeugend ausmerzen möchte. Es werden mal mehr mal weniger subtil immer und immer wieder klare Grenzen des Denk- und Sagbaren gezogen und uns antrainiert. Das sogenannte Overton-Window ist aktiv. Dieses Overton-Window wirkt teilweise vorbewusst. Es sagt dir: Das darfst du nicht mal denken. Geschweige denn sagen.

Man bemerkt die Verschiebung der Grenze des Denk- Sag- und Tu-Baren, wenn man sich zum Beispiel mal Aktivitäten von vor einigen Jahren , ich denke hierbei zum Beispiel an die Fußball WM 2006 in Deutschland, oder noch früher an eine der ersten Besuche von Helmut Kohl im der wendezeitbefindlichen DDR zurückdenke. Kennzeichen dessen sind ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer und das frenetisch lautstarke abfeiern Deutschlands, 2006 kurz „Schlands“. Ein Verhalten was heutzutage wohl bereits verdächtig erscheinen mag, und von vielen als unpassend wahrgenommen würde, weiterhin bemerkenswerterweise in die Kategorie „Rechts“ einschubladiesiert würde.

Darf man das überhaupt noch, oder bin ich da schon „rechts“???

Wie formt sich eine Partei?

Eine Partei entsteht nicht aus dem Nichts – sie formt sich aus realen Interessen, die aus urmenschlichsten Bedürfnissen, Wahrnehmungen, Denk- und Handlungstendenzen und den draus ergebenden kollektiv übereinstimmenden Schlussfolgerungen  

Noch besser versteht man die tiefsitzende Dynamik, wenn man die Zusammenhänge weniger formal, denn organisch betrachtet. Dieser Teil der Parteienlandschaft ist eine Partei, und es dürfte wohl jedem klar geworden sein, welche Partei damit gemeint ist, aber ich möchte diese bewusst nicht aussprechen. Und zwar aus einem bestimmten Grund. Ich möchte, dass du die Aufmerksamkeit auf das Prinzip dahinter richtest. Es reicht eine Farbe ins Spiel zu bringen, die Farbe Blau. Die Farbe Blau erscheint (im Gegensatz zu braun) zunächst völlig unverdächtig, neben all den anderen Farben wie rot, rosa, gelb und grün die im Parteienspektrum bereits vergeben sind. Blau erscheint zunächst harmlos, denn blau ist der Himmel und das Meer. Diese Partei hat sich also die Farbe blau herausgesucht. Mit welchen Attributen wird diese blaue Partei in Verbindung gebracht? Und jetzt kommt die Gretchenfrage. Entdeckst du manchmal selbst eine „blaue“ Seite in dir? Würdest du dir dann selbst verbieten so zu sein?

Alle gegen Einen.

Was ist eine Partei? Sie ist unter anderem ein formalisiertes Konstrukt mit einem klaren Namen und einer Organisationsstruktur und mit klar definierten Mitgliedern und Führungspersonen. Dadurch ist so ein Konstrukt klar erkennbar in der öffentlichen Wahrnehmung als eine Art Produkt oder ein Markenkern und kann auch klar bezielt und angegriffen werden. Und davon wird ja auch in den Medien wie im öffentlichen Raum reichlich Gebrauch gemacht. (siehe Kasten)

Eine Partei entsteht nicht einfach so aus dem nichts oder durch einen Fingerschnipp, sie entsteht aus Menschen. Sie entsteht aus Menschen die Meinungen haben, sie entsteht aus Menschen die Emotionen haben. Und diese Emotionen und Meinungen entstehen aus menschlichen Bedürfnissen, Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen. Offenbar gibt es in der Bevölkerung, (um nicht zu sagen im Volk – ein verdächtiges Wort?) also offenbar gibt es in der Bevölkerung doch ein signifikantes Maß an Bedürfnissen, an Wahrnehmungen und an menschlichen Eigenschaften die genau in diese Richtung zielen, die diese Menschen, die dieser Zusammenschluss von Menschen als eine Interessengruppe, als eine Partei kollektiv und gesammelt bedient. Aus den Wahrnehmungen und inneren Bedürfnissen entstehen Schlussfolgerungen und Muster und in der Folge daraus Meinungen und demzufolge auch zu Pläne, Ziele und Aktionen. Menschen schließen sich zusammen um etwas zu erreichen, um in eine Richtung zu gehen. Das darf man erst einmal ganz ohne es moralisch bewerten so zur Kenntnis nehmen und akzeptieren.

Doch der gemeine Konsens, zu mindestens ist man bemüht diesen Geist zu wahren heißt: Das ist nicht ok. Das möchten wir nicht haben. Mit diesen Leuten wollen wir nichts zu tun haben. Was machen „wir“ dabei in Wirklichkeit?

Nach meiner Wahrnehmung scheint es inzwischen zum guten Ton eines jeden spontan und jugendlich organisierten Rock und Pop-Konzerts im öffentlichen Raum für den „Guten Zweck“ (was ist das eigentlich?) nicht ohne das Kürzel „FCK …PUNKT PUNKT PUNKT“ auskommen. Diese immer wieder mantra-artig wiederholten Losungen, erfüllen zwei Zwecke: Es dient erstens der Selbstversicherung: So sind wir nicht, als auch zweitens der Erziehung und dem Lerneffekt: Das wollen wir nicht haben. wird auch mit jedem Mal mit der diese Formeln wiederholt werden der Versuch des og. Konditionierens und Abspaltens vertieft, erlernt und eingeübt. Der Mensch lernt durch Wiederholung. Irgendwann sitzt es so tief das ein unbewusstes Denken in die „richtige“ Richtung bereits im vorauseilenden Gehorsam abläuft.

Wie funktioniert der Geist der Selbstverleugnung?

Offenbar wird die tragische Dynamik dieses Effekts wie auch seine letztendliche Unmöglichkeit und Irrationalität, wenn man kollektives Handeln des wir als Gemeinschaft auf eine Person bezieht. Was macht eine Person, die sagt „Nein das waren nicht meine Gedanken, das bin nicht ich!“ „Diese Gedanken gehören nicht zu mir.“? Diese Person verleugnet einen Teil von sich und damit sich selbst. Diese Person ist nicht zu echter und wahrer Selbstannahme fähig. Diese Person wird auf diesem Weg auch niemals wahre Erfüllung, tiefes Glück, und authentisches Selbstwertgefühl, ein tiefes Gefühl des inneren Ankommens erreichen. Sie wird in ihrer natürlichen Weiter- und Höherentwicklung gehemmt.

Wer sich selbst nicht annimmt, kann kein echtes und authentisches Selbstwertgefühl haben.

Selbstannahme und Selbsterkenntnis

Zur Selbstannahme aus dem Buch „Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls“ von Nathanael Branden

Zur Selbstannahme gehört die Bereitschaft zu erfahren – das heißt, real ohne leugnen oder Ausflüchte wahrzunehmen – , dass wir das Denken, was wir denken, das fühlen, was wir fühlen, das Begehren, was wir begehren, das getan haben, was wir getan haben, und das sind, was wir sind. Es ist die Weigerung, irgendeinen Teil von uns-unseren Körper, unsere Emotionen, unsere Gedanken, unsere Handlungen, unsere Träume-als fremd, als „das bin ich nicht“ zu betrachten. Sie ist die Bereitschaft, die Tatsachen unseres Seins in einem bestimmten Moment zu erfahren und uns nicht davon zu distanzieren – das heißt, unsere Gedanken zu denken, uns zu unseren Gefühlen zu bekennen, der Realität unseres Verhaltens gegenwärtig zu sein.

Die Bereitschaft, unsere Gefühle zu erfahren und zu akzeptieren, bedingt nicht, dass unsere Emotionen bei dem, was wir tun, das letzte Wort haben. Ich habe heute vielleicht keine Lust zu arbeiten; ich kann diese Gefühle anerkennen, erfahren und akzeptieren – und dann noch zur Arbeit gehen. Das Ergebnis ist, dass ich mit einem klaren Bewusstsein arbeite, weil ich den Tag nicht mit einem Selbstbetrug begonnen habe.

Selbstannahme ist die Bereitschaft, von jeder Emotion oder Verhaltensweise zu sagen: »Sie ist ein Ausdruck von mir, nicht unbedingt ein Ausdruck, den ich mag oder bewundere, aber nichtsdestotrotz ein Ausdruck von mir, zumindest in dem Augenblick, in ist dem sie zutage tritt.« Sie  die Tugend des Realismus, das heißt, daß die Realität des Selbst respektiert wird.

Wenn ich diese leidigen Gedanken denke, dann denke ich sie; ich akzeptiere unbeschönigt die Realität meiner Erfahrung. Wenn ich Schmerzen oder Wut oder Angst oder in unangemessener Weise Lust empfinde, dann empfinde ich sie; was wahr ist, ist wahr -ich lehne sie nicht als vernunftwidrig ab, ich leugne sie nicht und versuche ebenso wenig, sie wegzuerklären. Ich fühle, was ich fühle, und ich akzeptiere die Realität meiner Erfahrung. Wenn ich Dinge tue, derer ich mich später schäme, so bleibt dennoch die Tatsache, daß ich sie getan habe; das ist die Realität -und ich suche in meinem Hirn nicht nach Schleichwegen, um die Fakten verschwinden zu lassen. Ich bin bereit, dem standzuhalten, von dem ich weiß, daß es wahr ist. Was ist, ist.

»Akzeptieren« heißt mehr als nur »anzuerkennen« oder »zugeben«. Es heißt erfahren, in der Gegenwart stehen, sich mit der Realität befassen und ins Bewusstsein aufnehmen. Ich muß mich unerwünschten Emotionen gegenüber öffnen, sie ungeschmälert erfahren und sie nicht nur oberflächlich erkennen.

„Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls“ – Nathaniel Branden, S.112: „Die zweite Ebene“

Nein, das bin ich nicht. Das war nicht ich.

Doch das bist genau du! Selbstannahme ist ein erster wichtiger Schritt zur Selbsterkenntnis.

Woher kommt das alles, diese große Sehnsucht und Lust nach der Moral? Die Überhöhung des Tugendhaften und des guten Gefühls?

Und wie kann man nun endlich diese Probleme auflösen, und Intolerenz, Hass und Ausgrenzung ein für alle mal loswerden? Über das alles soll es im zweiten Teil gehen.

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